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Manfred Hilberger

Hilberger-Zitat der Woche:

Wer bei meinen Texten stets zu wissen glaubt, was ich meine, der hat sie falsch verstanden.

(Manfred Hilberger über seine Songtexte)

Leseprobe 'Flügelschlag der Engel'


Um euch ein Bild von meinem Schreibstil und der Art der Kurzgeschichten in meinem Buch 'Flügelschlag der Engel' machen zu können, findet Ihr hier ein komplettes Kapitel sowie das Vorwort aus diesem Buch.







 

Vorwort

Wie viele Menschen, interessierte auch ich mich schon immer für Fragen nach dem Sinn unseres Seins, des Lebens, der Liebe, dem Tod und der allumfassenden Frage ;warum?’. Dabei bin ich der Auffassung, dass wir viele Antworten darauf ganz oft in unserem Leben selbst finden können, wenn wir  nur  genau  genug hinschauen.

 

Inspiriert durch den Tod meiner Schäferhündin, die neun Jahre lang meine beste Freundin und treueste Begleiterin war, habe ich versucht, meine Gedanken zu diesen Themen in kurzen Erzählungen zu umschreiben. Dass dabei in jeder Kurzgeschichte Engel eine Rolle spielen, soll unterstreichen, dass wir Menschen, die wir oft von Leid und Ungerechtigkeit heimgesucht werden, manchmal einfach etwas genauer hinsehen sollten, wenn wir einen Sinn erkennen wollen.

Die Engel in diesem Buch sollen helfen, manche aussichtslos und negativ wirkende Situation in unserem Leben vielleicht ein kleines Bisschen besser verstehen und ertragen zu können. Ich würde mir wünschen, dass die Erzählungen, die manchmal rührend, manchmal romantisch, traurig, ergreifend und auch aufmunternd sind, dazu animieren, über das Leben, die Liebe, Freundschaften, Zeitmangel und den Sinn von alledem nachzudenken und manchmal etwas mehr das Gute im vermeintlich Schlechten zu erkennen.

Wenn es mir gelingt, dem Leser gelegentlich ein Lächeln oder auch eine kleine Träne ins Gesicht zu zaubern, dann  hat sich das Schreiben für mich gelohnt...

In diesem Sinne wünsche ich viel Freude beim Lesen auf und zwischen den Zeilen!
Manfred Hilberger





 

Leseprobe:

 

Weihnachtsengel


Es war Weihnachtszeit. „Ach“, seufzte sie leise vor sich hin, „wäre dieses beschissene Jahr doch bloß schon rum.“ Früher hatte sie sich immer so auf dieses besinnliche Fest gefreut. Aber der Glanz, den sie als Kind bei dem Gedanken an Weihnachten in ihren Auge hatte, war für sie jetzt nur noch in der bunten Lichtreklame zu sehen, die die Massen zum vorweihnachtlichen Konsumieren bewegen sollte. Diese Feiertage bedeuteten doch nichts weiter als wochenlangen Einkaufsstress in überfüllten Fußgängerzonen und Einkaufscentern. Und wenn der heilige Abend dann kommt, würde sie wieder traurig und alleine darüber nachdenken, wie schön dieses Fest doch sein könnte, wenn sie es mit dem Mann ihres  Herzens  verbringen könnte.

“Es soll halt nicht sein. Die da oben wollen scheinbar nicht, dass auch ich mal glücklich bin“, murmelte sie zornig mit Tränen in den Augen, während sie wieder schwermütig an ihren Herzensmann dachte.

Natürlich, es hatte auch bessere Zeiten gegeben, in denen sie sich auch als Erwachsene auf Weihnachten freute. Aber es war schon einige Jahre her, als sie in einer Beziehung war, die glücklich zu sein schien. Aber auch ihr damaliger Partner hatte ihr ja letztendlich nichts weiter gebracht, als Schmerz und Leid. Er war ja nach einiger Zeit der Auffassung, seine Liebe zu ihr nicht mehr zeigen zu müssen. Lieber stürzte er sich in seine Arbeit und verbrachte seine Freizeit mit seinen Kumpels oder vor dem Computer, als dass er sich um sie gekümmert hätte. Sie sah sich damals dazu veranlasst, diese Beziehung zu beenden, da er sie offensichtlich nicht liebte. 

Als sie ihm sagte, dass sie in dieser Beziehung unglücklich sei und ihn fragte, ob er sie überhaupt noch liebe, hatte er die Dreistigkeit besessen, zu antworten: „natürlich liebe ich dich. Aber wenn du mit mir unglücklich bist, so solltest du mich wohl verlassen, um dein Glück zu finden.“

“Mein Gott, wieso sind die Männer bloß solche Schweine?“, sprach sie vor sich hin, als sie an diese lang zurückliegende Beziehung dachte. „Der besaß doch tatsächlich die Frechheit, mir vorzulügen, mich zu lieben und im gleichen Atemzug zu sagen, dass ich doch gehen könne. Es ist nicht zu fassen“.

Und so verließ sie ihn dann auch und seither ist sie alleine. Ganz alleine mit sich selbst. Es kann ein schönes Gefühl sein, alle Freiheiten zu besitzen, niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Aber nicht an Tagen wie diesem. Nicht an den Tagen der Vorweihnachtszeit, schon gar nicht an Weihnachten selbst und auch nicht an ihrem Geburtstag und all den vielen anderen Tagen im Jahr, an denen sie doch so gerne mal wieder gespürt hätte, von einem Mann geliebt zu werden.

Nun, generell war sie kein Kind von Traurigkeit. Ihre Kollegen und Bekannten schätzten sie stets als lebenslustig und froh ein, ohne zu wissen, welche Einsamkeit und Traurigkeit oft hinter der Fassade verborgen lag.

Und auch die Männer, die sie in der Zwischenzeit näher kennen gelernt hatte, entpuppten sich stets als nicht wirklich liebenswert. Entweder sie wollten sie nur sexuell ausnutzen, ohne Gefühle zu entwickeln, oder sie waren verweichlichte Muttisöhnchen, die nicht wussten, was sie wollten.

Aber wenn mal ein Mann Gefühle für sie entwickelte, so war sie leider nicht im Stande, diese auch zu erwidern.

Aber jetzt war da dieser Mann, den sie liebte. Ja, sie war sich sicher, dass es nicht nur ein oberflächliches Gefühl von Verliebtheit war, sondern eine tiefe Anziehung, die sie als Liebe bezeichnete. Und in ihrem Inneren wusste sie einfach, dass er der Mann war, der für sie bestimmt war. Sie könnte es nicht erklären, aber sie wusste, dass sie einfach zusammen gehörten. Aber es tat so unsagbar weh, dass er  dieses  Gefühl  nicht oder noch nicht mit ihr teilte.

Unzählige Gespräche hatte sie in den letzten Monaten geführt, in denen es ausschließlich um diesen Mann ging. Viele ihrer Freundinnen und Bekannten sagten ihr aber seit einiger Zeit nur noch, dass sie ihn doch endlich abhaken möge, da es doch offensichtlich zu sein schien, dass er einfach nicht die gleichen Gefühle für sie hegte. Sie hörte immer wieder, dass er ihr nicht gut tue und  sie  endlich  loslassen  müsse.  Sie  konnte dieses Wort Loslassen schon nicht mehr hören.

Wie lässt man los? Lässt man einen Herzensmann los, wie einen zu heißen Kochtopf, um sich nicht zu verbrennen? Wie sieht es überhaupt aus, wenn ein Herz einen Menschen festhält und wie kann man das Herz zum Loslassen bringen? Diese Fragen konnten ihre Freundinnen nicht beantworten. Sie sagten immer nur: „du musst ihn endlich vergessen. Such dir einen anderen, lenk dich ab.“

Aber wenn man einen zu heißen Kochtopf in der Hand hält, so wird man diesen doch auch nicht los, in dem man den Topf weiter in den Händen hält, um damit zu einem Laden zu gehen und sich dort einen neuen, anderen Topf zu besorgen. Ein neuer Kochtopf würde bestenfalls dazu führen, dass man den alten dann endlich los lässt, um den neuen halten zu können, aber den neuen würde man gar nicht lange halten können, weil dazu die verbrannten Hände viel zu sehr schmerzen würden.

Wie also lässt man einen Mann los? Oder zeigte das Beispiel des Kochtopfs nicht viel mehr, dass es Dinge und eben auch Männer gibt, die nach dem Loslassen so oder so tiefe Wunden zurück lassen würden? Macht es dann nicht mehr Sinn, alles dafür zu tun, dass der Topf gar nicht erst so heiß und verletzend wird und man ihn somit gar nicht loslassen muss?

Ihr schwirrte so viel durch den Kopf. Dieser Mann hatte sie ja eigentlich nie verletzt. Er war nicht, wie ein zu heißer Topf. Und daher wollte sie ihn ja gar nicht loslassen. Im Gegenteil, sie wollte doch nur eine Chance, ihm ihre Liebe zu zeigen und diese erwidert zu bekommen.

Nunja, es gab auch viele Gespräche mit Ermutigungen, an diesem Mann festzuhalten. Es gab auch ein paar Freundinnen, die ihr sagten: „wenn du tief in dir drin spürst, dass er der richtige ist, dann ist er es auch“, was ihr natürlich immer wieder Hoffnung gab. Aber was hatte sie nun davon? Sie wartete seit Monaten auf ihn und saß nun vor diesen überteuerten bunten Weihnachtsartikeln und wünschte, dass dieses traurige Fest, das allen Anscheins nach  ohne  ihn  stattfinden  würde,  doch  bloß bald hinter ihr läge.

Sie steigerte sich dermaßen in ihre Gedanken, dass sie regelrecht zornig wurde. Tränen der Wut standen in ihren Augen, als sie plötzlich zur Zimmerdecke aufblickte und schrie: „warum machst du das, Gott? Hasst du mich? Warum lässt du mich immer nur so leiden? Was hab ich denn verbrochen? Ich wollte immer ein guter Mensch sein, reiße mir für alle den Arsch auf und von dir kriege ich einen Tritt nach dem anderen! Wenn es dich gibt, dann schick mir doch mal deinen tollen Weihnachtsengel, damit er mir hilft!.“

Sie wurde immer erregter und fügte hinzu: „ach, das kannst Du nicht? Warum denn nicht? Es gibt dich wohl gar nicht!? Oder hasst du mich so? Ich will jetzt deinen verdammten Engel sehen, sonst hasse ich dich auch!.“

Dann wurde es still. Ganz still. Nicht einmal ihr Weinen war noch zu hören.

Es dauerte lange, bis sie aufstand und weiter ihre Einkaufstüten auspackte. Es schien, als würde sie nichts mehr denken können. Ihr Kopf war lehr. Aber auch ihre Wohnung blieb leer.

Kein Mann, kein Engel, kein Gott. Nichts.

Es vergingen zwei weitere vorweihnachtliche Tage voller buntem Treiben auf den Straßen. In ihr aber war kein buntes Treiben mehr zu vernehmen. Den Kollegen war aufgefallen, dass es ihr nicht gut zu gehen schien, denn ihr sonst fröhliches Lachen war zwei Tage lang nicht zu hören. Niemand aber wagte es, sie darauf anzusprechen. Und wenn es jemand getan hätte, hätte sie selbst nicht ausschließen können, dass sie entgegnet hätte, dass sie dieses beschissene Leben, in dem es keinerlei Gerechtigkeit gibt, einfach satt hat.

Am Morgen des dritten Tages wachte sie ebenso deprimiert und freudlos auf, wie an den beiden Tagen zuvor. Sie hatte keine Lust zu gar nichts mehr und beschloss, sich im Betrieb krank zu melden. So verbrachte sie den Vormittag lustlos auf dem Sofa und hatte nicht einmal mehr Interesse daran, sich Gedanken über diese ungerechte Welt zu machen.

Plötzlich riss das schrillende Telefon sie aus ihrer Gedankenlosigkeit heraus.
„Hi, ich bin`s“, erwiderte eine männliche Stimme ihr müdes „ja?“
   „Wie geht es dir?“
Einen ganz kurzen Moment musste sie nachdenken, wer dieser Anrufer war. Dass es ihr geliebter Herzensmann nicht war, fiel ihr jedoch zu ihrem Bedauern sofort auf.

„Ach, du bist`s“, sagte sie überrascht, als ihr bewusst wurde, dass es ihr Ex-Freund war, zu dem sie seit vielen Monaten gar keinen Kontakt hatte und  auch  in  den  ganzen letzten Jahren nur sehr sporadisch.

   “Ich musste vor ein paar Tagen irgendwie an dich denken und dachte mir, wir könnten ja mal wieder einen Kaffe zusammen trinken“, setzte der gut gelaunt klingende Mann das Gespräch fort.
   „Äh, ja, können wir mal machen“, entgegnete sie hörbar überrascht.

So traf sie sich noch am gleichen Tag mit ihrem Ex-Freund in einem Bistro. Sie war sogar eine halbe Stunde dafür gefahren, damit sie nicht von irgendwelchen Kollegen entdeckt werden könnte, da sie sich ja krank gemeldet hatte. Auf dem Weg dorthin fragte sie sich, ob sie nicht doch besser umkehren sollte, anstatt sich ausgerechnet mit dem Mann zu treffen, der ihr vor einigen Jahren zwar vorgaukelte, sie zu lieben, sie aber einfach kampflos gehen ließ. Aber ihr Auto schien den Weg dennoch fast wie von selbst zu finden.

   Nach ein paar üblichen Floskeln fragte sie ihren Ex dann aber dennoch recht schnell, warum er sie damals einfach hat gehen lassen.
   „Das habe ich nicht“, sagte er. Sie hielt es für besser, dazu nichts zu sagen, da sie in dem Moment dachte, dass er ein unverbesserlicher Dummschwätzer sei, der seine Fehler nach wie vor nicht zugeben wolle.

Im Laufe des Treffens erzählte sie ihm davon, dass sie un-glücklich verliebt sei und den Glauben an die Gerechtigkeit verloren habe. Ja, sie sagte ihm sogar, dass sie ihren Glauben an Gott verlor.
   „Warum?“, wollte ihr Ex interessiert wissen.
„Ach, ich habe vor drei Tagen das letzte Mal in meinem Leben gebetet. Ich bat Gott darum, er möge mir einen Engel schicken, um mir zu zeigen, dass es doch noch so was wie echte Liebe gibt. Aber es gibt keine Engel. Jedenfalls nicht für mich“.

Ihr Ex-Freund neigte fragend den Kopf leicht zu Seite, fing sanft an zu lächeln und sagte mit  beruhigender Stimme: „aber hier bin ich doch.“
   Zynisch lachend sagte sie: „DU?! Du bist ein Engel? Nimm es mir nicht krumm, aber das ist nicht nur das hochgradig arroganteste, was ich je gehört habe, sondern auch das lächerlichste. Ich wollte einen Engel, der mir zeigt, dass es Liebe gibt. Einen, der mir zeigt, dass auch ich mal Glück haben und geliebt werden kann, wenn auch ich liebe. Du hingegen bist einer der Männer, die mich ausschließlich vom Gegenteil überzeugt haben“.                      
   “Weißt Du“, sagte ihr Ex mit ganz ruhigem und warmen Tonfall, „wenn du mich nun so auslachst, dann lachst du nicht mich aus, sondern dich. Du wolltest einen Engel, der dir zeigt, dass es wirklich wahre Liebe gibt und dass du geliebt werden kannst, wenn auch du liebst. Und hier bin ich.“

Sie begann nach ihrem Autoschlüssel zu suchen und sagte: „lass uns gehen, ich bin nicht in der Stimmung, mir diese Scheiße anzuhören. Du hast mich nie geliebt. Du hast mich kampflos gehen lassen, obwohl du behauptet hast, mich zu lieben. Fandest Du das gerecht?!“ 
   “Nein“, sagte er. „Gerecht war es vielleicht nicht, aber ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Und kampflos war ich schon gar nicht. Nur habe ich im Gegensatz zu dir schon viel früher gelernt, dass unser Lebensinhalt nicht die Gerechtigkeit ist, sondern die Geduld. Ich hätte dich nicht zurück bekommen, wenn ich versucht hätte, um dich zu kämpfen, in dem ich gegen Deine Argumente ankämpfe. Mein Kampf war für dich nicht sichtbar, jedoch habe ich immer um dich gekämpft. Nämlich, in dem ich gegen meine Ungeduld gekämpft habe.“

   “Was soll das heißen?“, fragte sie immer noch leicht zornig, aber dennoch interessiert klingend.
   „Nun, ich wusste immer, dass wir zueinander gehören und war mir sicher, dass eines Tages auch zu mir ein Engel kommen würde, der uns dann zusammenführt, wenn die  Zeit dafür reif ist. Heute war er da. Er sitzt mir gegenüber.“

   Eine Weile war sie sprachlos. Dann sagte sie: „das hast du schön gesagt. Aber wenn du es wirklich immer so gesehen hast, dass wir beide zusammen gehören, dann erkläre mir mal bitte, wieso du mich hast gehen lassen, als wir ja noch zusammen waren“.
   “Ganz einfach“, weil ich dich liebte und immer noch liebe“. Mit ungläubigem Blick entgegnete sie: „nein, dann hättest du mich nicht gehen lassen.“
   „Doch“, sagte er, „du sagtest mir damals, dass du in unserer Beziehung unglücklich warst. Also ließ ich dich gehen, denn ich wollte, dass du glücklich bist. Weil ich dich liebe“.

   Fast fünf Minuten sprachen sie dann kein Wort mehr. Er spielte etwas verlegen an seiner Kaffeetasse herum und sie blickte nachdenklich in die ihre. Erst nach minutenlangem Nachdenken schaute sie ihn an und sagte mit weinerlicher Stimme: „ist das wirklich so? Mein Gott, dann war das ja wirklich die echte Liebe.“

   Er antwortete nicht. Erst nachdem er einige Zeit die Tränen der Rührung in ihren Augen beobachtete, fragte er liebevoll: „hast du an Weihnachten schon was vor?“


 


 

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Buch Flügelschlag der Engel von Manfred Hilberger
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